Leseprobe - Auszug aus den Seiten 1 - 5:
Sonnenstrahlen bieten einen enormen Spielraum für Fantasien, da sie nur teilweise das Umfeld erhellen. Sie geben uns Energie und erscheinen unendlich. Der Anblick des geraden Strahles, von der Sonne hin zu einem soeben erwachenden Pflänzchen, welches voller Freude tief und genussvoll die Energie des Lebens einatmet, macht bewusst, wie schön und zugleich vergänglich das Leben ist. Denn zu jedem Leben gehört auch der zwangsläufig folgende Tod.
Doch tatsächlich ist der Tod Teil eines großen nicht enden wollenden Prozesses. Es ist der Ausgangspunkt weiteren Lebens. Die Überreste der menschlichen, tierischen und pflanzlichen Organismen sind wichtig, damit immer wieder neues Leben entstehen kann und bilden somit die Grundlage für die Ernährung der nächsten Generationen. Es handelt sich um einen notwendigen Rhythmus - der Zyklus von Tod und Wiedergeburt.
Und ja! In der Tat! Es ist wichtig, den Tod zu akzeptieren. Denn dem Sterben können wir nicht entkommen…
Nur 29.500 Tage in meinem Körper. Mehr Zeit bleibt mir nicht. Es ist mein Leben! Es gehört mir! Jeder meiner Träume ist der Beginn eines Abenteuers, dem es gilt, Leben einzuhauchen, um es in die Realität zu begleiten.
Und ICH lebe jetzt.
Prolog
Verrückt … Jetzt ist der Letzte von den vieren gegangen. Viel zu früh allesamt. Jahrelang drehte sich alles in meinem Leben um die vier. Es ging um Wahrheiten und Unwahrheiten, Liebe und Hass, Streitereien, Beeinflussungen und Lügen – viel Freude und viel Leid. Ein ständiges Hin und Her.
Und nun? Alles ist vorbei – irgendwie ist doch alles endlich und nicht unendlich? Die Enttäuschungen und Hoffnungen – am Ende ist alles eins.
Während ich darüber nachdachte, was das Leben uns bot und wie klein und nebensächlich wir Menschen in Wahrheit doch waren, hielt mich seine kälter werdende Hand immer noch fest und ich spürte plötzlich eine hauchzarte Berührung an meinem ganzen Körper. Einen angenehm wohligen Schauder, ähnlich einem milden Windzug, der sich sanft kreisend nach oben bewegte, bis in meine Haarspitzen, und dann behutsam und ganz langsam entschwebte.
Ich musste schmunzeln und spürte, wie meine Tränen lautlos an meinen Wangen herunterflossen.
Kapitel 1 – Traum
23 Jahre früher..
… Sommer 1980
„Auf zur Arbeit! Es geht los! Raus aus den Federn! Dein Frühstücksbrot steht schon auf dem Tisch. Und sei nicht zu laut, deine Schwester schläft noch.“ Meine Mutter schubste mich an.
Ich war hellwach!
Hellwach? Irgendwie auch nicht. Stockdüster war es noch. 4:30 Uhr!
Das kann ja heiter werden. Und das soll jetzt sechs Wochen lang so gehen?!?!?
Onkel Heinz hatte mir den Ferienjob besorgt. Eine wichtige Etappe, um meinen Traum nächstes Jahr realisieren zu können. Mit 17 auf große Reise über den großen Teich … Das Abenteuer USA sollte nun einen großen Schritt näher rücken!
Onkel Heinz war schon mit dem Frühstück fertig, als ich in die Küche kam. Er packte gerade seine Stullen in eine Plastikbox – eine dieser praktischen Tupperware-Boxen, welche es seit Neuestem auf den zahlreichen Tupper-Partys zu erwerben gab.
„Mensch, Tim, nun mach schon! Ich habe keine Lust auf das Gemecker der anderen, wenn wir zu spät zum Treffpunkt kommen. Wir müssen los!“
Ich packte hastig meine Thermoskanne mit Kräutertee und meine Stullen – zwei Brote mit jungem holländischem Gouda und zwei Brote mit Salami belegt – und folgte meinem Stiefvater eilig die Treppe hinunter.
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....der Ferienjob hatte nichts mit Ford zu tun. Es handelte sich um ein kleines mittelständisches Unternehmen, das Fließbänder herstellte und unmittelbar neben dem Werksgelände lag, auf dem die vier Männer arbeiteten.
Ich wurde in der Fertigung eingesetzt und musste Fließbänder zusammensetzen. Viele kleine Bauteile – Rädchen, Distanzhalter, Schienen, Rollen und einiges mehr – lagen vor mir in großen Metallkisten und ich steckte stundenlang die verschiedenen Teile nach gleichem Schema zusammen, so lange, bis das gewünschte Maß von zwei oder drei Metern erreicht worden war. Eine ziemlich monotone Angelegenheit. Am Ende kamen dann vorne und hinten entsprechende Schienen und Schrauben dran – fertig!
In den ersten Tagen hatte ich mich schnell eingearbeitet. Manchmal durfte ich auch an die riesigen Stanzmaschinen. Mit Hilfe dieser Maschinen wurde in ein verzinktes Stahlrohr oben und unten gleichzeitig und mit einem lauten ‚plopp‘ Kugellager hineingepresst. Durch die Öffnung in der Mitte der Kugellager schob ich nach dem stanzen eine Metallstange hinein, welches die Achse darstellte. Aus dem ursprünglichen schlichten Stahlrohr wurde somit in Hand und Drehen eine Fließbandrolle, welche an der Achse in die Halterung der Fließbandträger eingehängt werden konnte. Oft gab ich ihnen beim Zusammensetzen noch einen raschen Anschub. Das rasselnde Geräusch der langanhaltend drehenden Rollen liebte ich. Doch von der Stanzmaschine gingen diese zunächst mal ab in die Kiste, wo sie zwischenlagerten. Je nach Größe passten so zwischen 20 und 30 Rollen in einen Behälter. Manchmal ging es auch an die kleineren Maschinen, wo ich dann Distanzstücke und Unterlegscheiben für die Fließbänder pressen musste.
„Sehr gefährlich, diese Arbeit, Tim!“, warnte der Vorarbeiter Günther Kramer. „Also konzentriere dich! Wir haben keine Lust auf gequetschte Finger!“
„Ja, klar!“, sagte ich ganz wichtig und aufmerksam, obwohl ich mich doch darüber wunderte, denn letztendlich drückte ich nur einen Knopf und zog am Hebel, und das gefühlt zehnmal pro Minute.
Sobald ich die vorgesehene Antwort gegeben hatte, zog Herr Kramer laut singend von dannen: „Liebling wach aaaauf! Ich komm‘ nach Hauuuus! Mach mir das Esssssen – sonst gibt es was auf die Fressssen!!“ Drei- bis viermal hintereinander wiederholte er dieses Lied und jedes Mal beendete er seinen Gesang mit einem lauten, fürchterlich krächzenden Lachen.
Keinen wunderte es mehr, nur ab und zu zeigten die Kollegen ihm einen Vogel – sie kannten ihn schon länger und ließen ihm seine Freude....